Abenteuer Langstrecke

Paris - Brest - Paris

oder 3 Nächte (fast) ohne Schlaf

Nach dem Finish im Jahr 2015 stand die „Olympiade der Langstreckenfahrer“ – wie das weltweit älteste noch ausgetragene Radrennen auch genannt wird wieder auf dem  Programm.

 

Geplant war, dass wir 4 Obertrumer (Heide, Stefan, Werner und Gerhard) diese Herausforderung gemeinsam meistern. Durch die geforderte Brevetserie von 200, 300, 400 und 600km für die Qualifikation für PBP, die wir im Frühjahr 2019 Großteils gemeinsam absolviert haben, kennen wir ja die jeweiligen Qualitäten und Eigenheiten, sodass im Vorfeld ein gemeinsamer „Schlachtplan“ entworfen werden konnte.

 

Nach der Anreise mit der Bahn – der TGV zischt von Strassbourg bis Paris teilweise 320km/h dahin – radeln wir vom Gare de Est nach Maurepas, wo wir zweimal bis zum Start nächtigten. 

Auf dem Weg dorthin kamen wir dann noch am Montmartre und Arc de Triomphe vorbei und somit konnte auch das Sightseeing in Paris am Rad erledigt werden.

 

Der Samstag war wettermäßig bescheiden und gerade zum Zeitpunkt des Gruppenfotos der Randonneure aus Östereich schüttete es wie aus Kübeln. 

Aber was solls, wenns nur bis zum Start aufhörte. (60 Starter aus Ö, davon 3 Frauen; insgesamt ca. 6.000 Starter) 

 

Pünktlich um 18:45 Uhr startet unser Startblock von ca. 300 Teilnehmern in Ramboulliet. Nun heißt es die gut 1.200km in 90 Stunden zu bewältigen. Der Start war gut und vor allem wieder trocken.

Schon bald brach die erste Nacht an und man folgte einer Lichterkette aus Fahrradbeleuchtungen Richtung Westen. Nach 4:30 erreichen wir die erste Kontrollstelle in Mortagne au Perche bei km 120 und nach einer Pause von 20min um 04:30 Villaines la Juhel (km 215). An diesem Morgen ist die Müdigkeit extrem, immer kämpfe ich gegen den Schlaf. Waren die letzten Tage doch zu anstrengend

So und nun zum Start: 

? Und: Wie wird das in den nächsten Tagen wohl werden? Den Anderen geht’s noch ganz Gut, Hauptsache man kommt vorwärts, nur nicht zu viel Zeit verlieren. 

Um 09:00 Uhr erreichen wir die nächste Kontrollstelle in Fougeres (km306), wo wieder ausgiebig gefrühstückt wird. Unglaublich, wie viel man da verdrücken kann. Tagsüber wird man von hunderten Begeisterten am Streckenrand angefeuert, mache bieten Wasser, Kaffe und Kuchen, Creppes an. So vergeht die Zeit wie im 

Flug und wir sind um 12:30 in Tinteniac (km 360) wo ebenso kräftig mittag gegessen wird.

Ich bemerke, dass die Suunto-Uhr nicht mehr vom Nabendynamo geladen wird. Sämtliche Reparaturversuche scheitern. Somit kann der Rest der Strecke nicht mehr aufgezeichnet werden. Wenigstens funktioniert die Beleuchtung noch. 

Um 18:00 Uhr kommen wir bei der Kontrollstelle in Loudeac (km445) an, jetzt nur noch eine Etappe und wir haben endlich einmal ein Pause. Auch wird die Gegend westlich von Loudeac deutlich hügeliger als die Getreidefelder der Normandie. So schleppen wir uns auch noch die letzten 45 km bis nach St. Nicolas de Pelem. Um 21:00 kommen wir zu unserem Hotel. Die Gasthäuser haben leider schon geschlossen, so pilgern wir zur Kontrollstation um uns Essen zu besorgen u. nach einer Dusche geht´s zur wohlverdienten Nachtruhe. 

Nachtruhe ist wohl etwas zu hoch gestochn: Eigentlich waren es 2 Stunden intensiver Schlaf, denn um 02:00 läutete der Wecker. Nach einem, von unserem Vermieter extra um 02:30 bereiteten Frühstück ging es dann um 03:00 Uhr wieder weiter. Doch schon Minuten später trennte sich die Gruppe, da ich u. Werner nochmal austreten mussten.

Heide u. Stefan radelten weiter, wir sollten sie ja bald wieder einholen. Soweit der Plan, wäre mir da nicht ein Missgeschick mir einem Orientierungspfeil passiert:  An einer Straßengabelung fuhr ich vollen Zuges rechts, Werner u. ein weiterer Randonneur folgten mir. Es ging rasant bergab, aber komischerweise überholten wir jetzt keine Radfahrer mehr. In einem Dorf angekommen hielten wir kurz an, um die Lage zu besprechen. Wir hatten auch keine Markierungen mehr gesehen. Doch im Dorf waren wieder seltsamen Markierungen mit „PBP“, jedoch auf die Straße gemalt.  

Wir irrten durch das Dorf auf der Suche nach richtigen Wegweisern, leider vergebens. Also fassten wir den Entschluss, den Hügel wo wir hergekommen waren wieder retourzufahren, konnte man in der Dunkelheit doch praktisch keine Fernziele ausmachen. So kamen wir auch wieder zu besagter Kreuzung, wo tatsächlich auch wieder Radfahrer unterwegs waren. Schnell reihten wir uns wieder ein und erreichten Carhaix (km 520) um ca. 05:00 Uhr mit ca 10km Zugabe.

Stefan und Heide waren schon weiter Richtung Brest unterwegs. Wir holten uns rasch den Stempel in der Kontrollstelle und machten uns rasch wieder auf den Weg nach Brest.

Nun stand „der Berg“, welcher kurz vor Brest zu erklimmen ist an. Es handelt sich dabei um den Roc´h Ruz, nur etwas höher als 300m über dem Meeresspiegel, nicht allzu steil, aber mit entsprechend Kilometern in den Beinen wurde selbst dieser Hügel zu einer mentalen Herausforderung. Kurz vor Brest, also ca. 2 Rad-Stunden, in einem schmucken Dorf namens Sizun trafen wir Stefan u. Heide wieder, die sich gerade in einer Bar mit einigen Tellern heißer Suppe die blauen Finger wärmten. Die Suppe tat auch uns ganz gut.  

Gegen 09:00 erreichten wir überglücklich die Schrägseilbrücke in Brest und erfreuten uns über den Blick auf das Meer. Die Kontrollstation bei einem Schulgebäude in der Stadt Brest (km 610) erreichten wir dann um 09:45. 

Nach einem kleinen Belonhnungsbier für die Herren machten wir uns auf den Rückweg nach Paris. 

Wie schon bei der Hinfahrt stoppten wir im malerischen Sizun um ordentlich Mittag zu essen. Wir hätten locker jeweils eine zweite Pizza verschlingen können, wäre der Gedanke nicht schon beim „Berg“ gewesen. 

Nächster Stopp15:00 Uhr Carhaix (km694). Alle sind gute Dinge und so fahren wir rasch weiter und werden in 

St.Nicolas de Pelem (18:45, km von einer Geheimkontrolle überrascht. Diese wird im Vorfeld nicht bekanntgegeben, auf dass ganz Schlaue nicht auf die Idee kommen, Teile der Strecke nicht mit dem Rad zu fahren. 

Nach dem Abstempeln in St.Nicolas de Pelem treffen wir bald auf eine Gruppe Randonneure aus Österreich. Wir 

schließen uns für eine Stunde an und tauschen Erlebtes aus… 20:30 erreichen wir Loudeac (km 780), die Pausen werden immer länger, aber nach 1:15´ geht es frohen Mutes in die 2.Nacht.  Plötzlich, so schien es, waren überall Berge. Waren wir die gleichen Strecke nicht schon einmal gefahren? Wo kommen nur all diese Hügeln her? 

Um 01:30 erreichen wir das vorreservierte Appartement in Becherel (km 855). Ein perfekt restauriertes altes Haus mit wunderbaren Zimmern. Nur schade, dass wir nicht all zu lange bleiben können. Unser Vermieter war wirklich überrascht, als wir um 06:00 Uhr wieder aufbrachen, hatte er tags davor die Hoffnung doch schon aufgegeben uns jemals zu sehen. 

Gerne hätte er auch frühstück zubereitet, wenn er gewusst hätte,… So blieb uns nur uns recht herzlich für die Mühen zu bedanken und wir machten uns dann auf den Weg nach Tinteniac (km865) um dort zu frühstücken. 

Unglaublich, wie man sich nach 2 fast durchgefahrenen Nächten noch motivieren kann, wieder auf das Rad zu 

steigen. Wahrscheinlich weil es trotz allem noch die einfachste Art ist, um nach Paris zu kommen. Man fährt 

durchwegs auf kleineren Landstraßen, es sind kaum Bushaltestellen zu sehen, Bahnstationen sowieso nicht. 

 

11:00 Uhr Kontrolle in Fougeres (km 920). Kurz nach Fougeres fahre ich mit Werner wiederum ohne Heide und 

Stefan, um in diversen Geschäften Ausschau nach salzigen Chips zu halten. Es ist schon komisch, wonach einem 

gerade mal ist, aber Hauptsache „der Kopf stimmt“ und man bewegt sich in Richtung Paris. Leider hatten wir bei den Geschäften wenig Erfolg – es gab ja auch wenige entlang der Strecke.

Jedoch hielten wir in La Tanniere bei Paul Rogue an (Er ist sehr bekannt durch seine Postkarten aus aller Welt, welche im die Radfahrer senden)  und bekamen dort Kaffe und Creppes. Wasserauffüllen ist wie überall selbstverständlich. Leider gibt’s dort keine Chips und Bier. Nach der kurzen Pause erhöhten wir das Tempo um an Heide und Stefan ranzukommen. Sie hatten jedoch dasselbe Problem mit den leeren Flaschen und hielten an einem schattigen Platz mit Versorgung durch einen netten Einheimischen. 

Die Pausen wurden nicht nur länger, sondern auch immer mehr. Zwar waren wir noch im Zeitplan, aber es durfte nichts passieren. Und noch langsamer Fahren, bzw. noch mehr oder längere Pausen waren auch nicht drin, wollten wir rechtzeitig in Paris (besser gesagt beim Start- und Zielort Rambouillet) ankommen. 

16:30 Uhr wir erreichen Villaines la Juhel und somit die 1000km Marke. Nur noch 200km, das sollte doch zu schaffen sein, immerhin blieben ja noch 20 Stunden. Der Kopf sagt ja, der Körper scheint eine andere Sprache zu sprechen. 

Vom bombastischem Empfang gerührt, es war gefühlt das ganze Dorf anwesend -Dorffeststimmung mit Musik und allem was dazugehört, wurde das Glücksgefühl nur noch gesteigert, als wir wiederum einige Bekannte trafen und die Fahrt dann gemeinsam fortsetzen konnten. 

Um 22:00 erreichten wir Mortagne au Perche (km 1090km), wieder sind jede Menge Leute an der Kontrollstation und es gibt sogar eigene Verpflegung mit Würstl und Bier für die Zuschauer. Nichts gegen Baguettes und Creppes, aber hier konnten wir dann doch nicht widerstehen. Wieder dauerte es länger, bis wir in den Sattel kamen. Wir machten es anderen Randoneuren gleich und nickten neben unseren Rädern ein.

Ich denke wir starteten erst gegen Mitternacht um die 80 km Etappe bis Dreux anzugehen. Die Nacht war kalt, saukalt. Es hatte 6°C, und obwohl wir alles was wir an Kleidung mithatten angezogen haben, froren wir. Leider hatte diese Gegend nicht einmal Hügeln, wo einem warm werden konnte. So rollten wir halb erfroren durch die finstere Nacht, bis wir um 05:00 Uhr in Dreux ankamen und uns in der Kontrollstation etwas aufwärmen konnten. Auch hatten wir uns ausgerechnet, dass wir bei einem Nickerchen noch warten konnten, bis die Sonne aufgeht um nicht wieder so zu frieren und am Vormittag im Ziel anzukommen.  

Überglücklich fielen wir uns dann um 09:00 Uhr in die Arme, da wir dieses Abenteuer doch noch heil und in der vorgesehenen Zeit überstanden hatten. 

Fazit: 

1.230km und 13.000Hm in 86 Stunden und 15 Minuten, davon 55 Stunden im Sattel. Was haben wir nur in den 31 Stunden gemacht – neben ca. 7,5 Stunden „Schlaf“? 

Es kommt anders als man denkt. Am härtesten war die Kälte in der Nacht, wer hätte daran gedacht?  Interessanter Weise konnte der Zeitplan trotzdem bis auf 2 Stunden eingehalten werden. 

Es ist sehr schwierig, in der Gruppe zusammen zu bleiben. Wir haben uns extra Hupen u. ein Blinklichtband für den Rücken/Rucksack organisiert. Nur so und durch eiserne Disziplin, sollte jemand „abreißen“ schafften wir es gemeinsam durch die Nacht.

Bei derartigen Distanzen kommt nach jedem Tief wiedermal ein Hoch und das hundertmal. Die körperliche Leere im Ziel ist riesengroß, wird jedoch durch das gemeinsam erlebte locker wettgemacht. Es dauerte doch noch einige Stunden, nicht nur wegen den 45km zum Hotel, bis wir endlich schlafen konnten. 

Es war trotz aller Anstrengungen und des enormen Schlafdefizites ein unbeschreibliches Erlebnis, man munkelt, einige Teilnehmer planen bereits für Paris – Brest – Paris im Jahr 2023.